Wenn man nach Rollenspielprodukten zum Thema Cthulhu-Mythos sucht, so wird einem früher oder später auch "Trail of Cthulhu" (ToC) auffallen, ein Rollenspielsystem basierend auf der GUMSHOE-Engine, gedacht dafür, um detektivisches Ermitteln, Mystery und Horror miteinander zu verquicken. ("Gumshoe" ist ein mögliches Synonym für Detektiv.)
Die Entwickler von ToC gaben eine Hauptmotivation für ihre Neuentwicklung (aus dem Jahre 2008 ) an: Erfahrungen mit dem populären "Call of Cthulhu" (CoC) Rollenspielsystem aus den 80ern hatten gezeigt, daß das Vorwärtstreiben der Handlung sehr stark von Würfelwürfen abhängen konnte. Entscheidende Hinweise, die die Handlung treiben, konnten den Spielern nicht gegeben werden, weil sie ihre Würfe nicht schafften. Das empfanden die Entwickler von ToC als dem Spielziel abträglich - eine typische Mythosgeschichte verwickelt die Spielercharaktere in den Mythos, läßt sie ihren Obsessionen folgen und treibt sie in den Wahnsinn. Das Spielziel ist immer auch ein Erlebnis zu haben, die Story zu treiben. Gerade um diese Hinweise (Clues) geht es dem GUMSHOE-System. Doch dazu muß ich weiter ausholen
Das Skill-System
Jeder Spielercharakter ("Ermittler" genannt) hat zwei Arten von Skills - investigative und allgemeine. Investigative Skills dienen dem Auffinden von Hinweisen. Allgemeine Skills decken die anderen Aspekte des Rollenspiels - Davonlaufen, Verfolgungsjagden, Nahkampf und Schußwaffengebrauch, usw. Auch außergewöhnliche Skills sind allgemeine Fähigkeiten - Geistige Stabilität (Stability), geistige Gesundheit (Sanity) und körperliche Gesundheit (Health). Manche Skills unterliegen Sonderregeln wieviel Punkte man kaufen kann, aber im Grund genommen kann man Charaktere sehr vielfältig gestalten. Die Basis ist ein Kaufpunktsystem. (Auch Erfahrung wird durch Kaufpunkte realisiert.)
Die Skills verhalten sich aber sehr unterschiedlich. Investigative Fähigkeiten dienen (nahezu ausschließlich) dem Auffinden von Hinweisen. Auf sie wird zum Auffinden von Hinweisen nie gewürfelt! Stattdessen kündet der Mitspieler an, daß er eine Situation auf eine dem Skill angemessene Weise untersuchen will, und erhält dafür einen Hinweis. So es denn einen gibt. Statt zu Würfeln, muß er einen Punkt ausgeben, für einen besonders wichtigen Hinweise zwei.
Beispiel:
Die Charaktere finden einen Mann in einem Lehnsessel, zusammengesackt, scheinbar leblos. Einer der Charaktere ist Arzt und beschließt, einen Punkt seiner Medizin-Fähigkeit auszugeben, und erklärt, wie er den Toten untersucht. Der Spielleiter ("Keeper" genannt) teilt dem Spieler mit, daß der Mann tot ist. Aufgrund der mysteriösen Verfärbung der Lippen könnte eine Vergiftung vorliegen. Der Charakter kann jetzt noch einen Punkt in Pharmazie ausgeben. Der Keeper teilt mit, daß er aus dem typischen Geruch schließt, dass es sich wohl um Laudanum handelt, mit dem der Betreffende überdosiert wurde. Ein anderer Spieler mit Hintergrund als Cop will nun feststellen, ob er vergiftet wurde oder ob es sich um Selbstmord handelt, und benutzt jetzt seinen Skill Forensik. Der Keeper teilt mit, daß er keine äußere Gewalteinwirkung feststellen kann, so daß es sich wohl um Selbstmord handeln muß. Usw.
Anzahl, Art und Umfang der Hinweise hängen von der Spielsituation ab. Ein besonders wichtiger Hinweise kostet etwas mehr, stellt aber den jeweiligen Ermittler etwas in den Vordergrund - er hat gewissermassen den roten Faden der Geschichte gefunden. In jeder "Szene" können Charaktere Hinweise finden, die sie zu weiteren Szenen führen und die Story vorantreiben. Man kann also schon jetzt sehen, wie hier detektivisches Ermitteln implementiert wurde.
Eine Besonderheit des Systems sollte hier auch schon auffallen: Skill-Werte sind nicht Zahlenwerte, die man über- oder unterwürfeln muß. In jedem Skill hat man einen Pool an Punkten, und man gibt diese Punkte aus, um sich davon etwas zu kaufen - bei investigativen Skills einen Hinweis, bei allgemeinen Skills einen Vorteil.
Würfel werden auch geworfen - ein einfacher sechsseitiger Würfel genügt, um durch das Spiel zu kommen. Brenzlige Situationen erfordern Würfelwürfe - z.B., wenn man jemanden niederschlagen will, vor einem dolchschwingenden Kultisten davonlaufen, auf eine Masse von Tentakeln mit einer Machete einschlagen oder sich vor einem Verfolger verstecken. Jeder Wurf hat dabei eine Schwierigkeit - z.B. durchschnittlich 4. Den von der Situation abhängigen Wert muß man erreichen. Gibt man Punkte aus der jeweiligen Eigenschaft aus, darf man sie auf den Wurf addieren. Wieviele Punkte man ausgibt, ist dem Spieler überlassen.