132. Spieltag (14.11.2022)
Wir stellten also Wachen auf, um sicher zu gehen, dass wir nicht unbemerkt überfallen werden. Das Abendgespräch handelte darum, wie wir morgen vorgehen sollten. Schließlich einigten wir uns darauf, das Gehöft zu beobachten, um mehr über seine Bewohner und die Lebensart der Thorwaler herauszufinden. Vielleicht ergab sich ja eine Möglichkeit, ohne gleich den Hof niederbrennen zu müssen. Die Nacht verleif ereignislos.
Noch vor Tagesanbruch machten wir uns auf zum Waldrand. Als wir dort eintrafen, herrschte schon gutes Jägerlicht. Dolorita und Isha nutzten unseren Flugteppich, um sich mal einen groben Überblick zu verschaffen. Die Fernsicht war aufgrund von Schneefall eingeschränkt. Der Ostrand der Siedlung war mit Hunden und Gänsen abgesichert. Das Langhaus war in einen Hügel hineingebaut worden. Zwischen dem Langhaus und uns stand zwei Wachen mit Äxten. In einem Baum ganz in der Nähe der Zwei hatte sich ein Bogenschütze versteckt. Auch die Hügelkuppe über dem Langhaus bewachten zwei Bogenschützen, die ihre Hände über einer Feuerschale wärmten. Uns war also klar, dass eine gewaltsame Entführung aus dem Hof in einem Gemetzel enden würde. Die neue Lage musste besprochen werden. Dolorita war für einen Angriff, ihre Verhandlungen waren gescheitert, sie sah das als eine persönliche Niederlage an. Ich selbst war der Ansicht, dass uns die Hofbewohner nichts angetan hatten, was eine Bluttat rechtfertigen würde. Wir hatten halt nichts, was sie benötigten – oder wussten es noch nicht. Ich war hier auf meine eigene Rechnung, Jandras Geschichte befriedigte nur meine eigene Neugier. Und dafür töte ich niemand. Thimorn schlug als Handel vor, ein Ehrenduell durchzuführen. Der Preis: die Information oder unsere Schuldknechtschaft bis zum Winterende. Auch Isleif tendierte in meine Richtung. Sollten wir die Information nicht unblutig erringen können, war die Rückreise angesagt. Dann blieb die Geschichte von Jandra und der Harfe halt im dunklen Vergessen.
Ich schlich mich zu einer Dreiergruppe von Bäumen auf der Ostseite. Die Gänse und Hunde wanderten herum. Dann trat ich in die Offenheit und näherte mich langsam dem Gehöft. Der Rest der Gruppe blieb bei den Bäumen zurück, für den Fall, dass ich das Hasenpanier ergreifen musste. Ein Hund wurde auf mich aufmerksam und näherte sich scheu. Als ihm etwas Rehfleisch hinwarf begann er zu bellen. Dies brachte natürliche eine Wache auf den Plan. Ich entbot ihm einen höflichen Tagesgruß und bat um ein Gespräch. Lugrid kam heran und war deutlich freundlicher als Doloritas Gesprächspartnerin. Ich machte ihr deutlich, dass ich einen Frondienst bis ins Frühjahr als unverhältnismäßig lang empfand. Wir bekämen nur Informationen. Es wurde dann klar, dass die Bewohner alles akzeptieren würden, was ihr Überleben sichert. An irgendwelcher Unterhaltung oder Arbeitsdiensten hatten sie kein Interesse oder sie hatten eigene Leute, die die Arbeiten ausführen konnten. Eine andere Sippe, die sie als Feinde betrachteten, war vier Tagesreisen entfernt. Nach einem höflichen Abschied ging ich wieder zur Gruppe zurück.
Also machten wir mal Kassensturz, was wir zum Überleben der Thorwaler betragen konnten. Ich hatte einen Heiltrank und ein Florett (konnten die vielleicht als Bratenspieß gebrauchen). Dololrita hatte noch etliches Belmart als Fiebertee übrig, Isleif wollte sich von seinem Morion verabschieden. Also gut. Diesmal übernahm unser Handelswunder Isha die Gespräche. Der Heiltrank wurde zum Objekt des Handels und nachdem der Hofwissensbewahrer mit einem magischen Rauchfässchen die Echtheit geprüft hatte, wurden wir handelseinig. Jandra war hier vorbei gekommen und weiter in den Süden gegangen. Dort war es zu einem Kampf mit bösen Geistern gekommen. Der Verbleib der Sturmvogelfrau war unbekannt. Zumindest hatten wir jetzt eine grobe Richtung. Der Gothi erzählte uns von seltsamen Orten, die im Süden auf uns warteten. Trolle in den Wäldern, heiße Quellen und eiskalte Quellen (die die Trinkenden töten – kannten wir ja schon), Quellen mit rotem Wasser und Pflanzen, Messergras-Steppen, Alben. Nur nichts davon konnte er irgendwie genauer verorten. War alles im Süden – irgendwo – hat man ihm erzählt. Jetzt brauchten wir noch einen Führer. Doloritas Fiebersirup erlöste den Gjalsker Madru aus seiner Schuldknechtschaft. Dem 14-Jährigen wurde versprochen, ihn nach seinem Dienst in die Freiheit zu entlassen.
Als wir wieder in unserem Lager ankamen, stellten wir fest, dass wir Besuch gehabt hatten. Das zeigte uns ein angespitzer Holzpfahl in der Erde. Doloritas Fährtensuche verlief sich irgendwo im Wald. Wer die freundlichen Besucher waren, ließ sich nicht mehr feststellen. Unser Abreise-Check brachte die Erkenntnis, dass uns das Essen ausging. Also mussten wir mit der Jagd beginnen. Das war nicht so mein Ding, war ich es als Städter gewohnt mein Essen mittels klingender Münze zu erwerben . Madru brachte ein Reh herbei. Dolorita kam mit einem Hasen an. Zumindest konnten wir so unserer Vorräte an Rationen strecken. Der weitere Weg wird ein hungriger sein.
Am 21.11.2022 werden wir weiterreisen.