Es ging an das Tor des Turm. Augenscheinlich hatten Zwerge ein kompliziertes Schloss inklusiver einer Art Bärenfalle angebracht. Zuerst versuchte Isha, die Falle zu entschärfen. Der Versuch scheiterte und die Falle löste aus. Obwohl man ein Stück Holz eingeklemmt hatte um dem Mechanismus etwas Schwung zu nehmen, wurde Ishas Hand eingequetscht, ein zweiter Mechanismus quetschte die Finger. Den Abzug auf Fingerfertigkeit und die Verletzung konnte ein Balsam von Fanaion heilen.
Von der Situation etwas demoralisiert flog man mit dem Teppich zum Dach. Mit etwas Geschick fand Dray ein Loch im Dachstuhl und konnte es mit seiner Brechstange verbreitern. Im darunter liegenden Raum lagen die Leichen von vier Zwergenkriegern, einem in Ermangelung besseren Wissens „Hohepriester“ genannten Mannes und mehrerer „Novizen“, Tote in einfachen Leinenkutten gekleidet. Die Leichen waren auffälligerweise kaum vermodert. Ein Odem brachte keine Magie im Raum zutage. Der Raum selbst aber war eine Kultstätte des Namenlosen. Eine große Figur des düsteren Gottes thronte hinter einem Altar. Die Toten waren augenscheinlich im Kampf gestorben. Drays Gefahrensinn kitzelte ihn an seiner Nasenspitze, etwas war nicht in Ordnung, und die höhlenlosen Augen des verstümmelten Gottes schienen ihn beinahe zu beobachten …
Isha entwaffnete einen der Zwerge. Als Dray dem Hohepriester sein mit Gold und Juwelen besetztes Schwert wegtrat erwachten die Toten und griffen die Gruppe an. Gerade die Zwerge mit ihren Kettenhemden konnten einiges einstecken. Und Efferdane, die mit ihrem Streitkolben in den Nahkampf ging, musste einiges an Schaden einstecken. Die niedergestreckten Untoten zerfielen vor den Augen der Gruppe zu Staub oder verfaulten, teilweise bis auf das Skelett. Man fand vier Kettenhemden in zwergischer Größe, vier Lindwurmschläger, vier Drachenzähne, dazu das Schwert des Hohepriesters, das nach einer Schätzen-Probe von Isha und Efferdane zwischen 70 und 90 Dukaten wert sein musste. Mit einer Spitzhacke haute Isha die Statue des verkrüppelten Gottes so weit es ging zu Klump, wobei sie darauf achtete, auf jeden Fall auch seinen Kopf abzutrennen.
Es ging hinab in die darunterliegende Ebene. Hier waren die luxuriösen Gemächer des Hohepriesters „Pendoch“. Man konnte eine Bibliothek voll mit frevlerischen Werken finden, wie die 13 Thesen des Namenlosen, 13 mal 13 Freudenjubel, Borbarads Testament, die zwölf Lügen und so weiter. Die teure Garderobe des Mannes war mit Symbolen des Namenlosen bestickt (Ketten, 13 Augen, usw.) und bevorzugt in Purpur gehalten. Ein Bild, mit vortrefflicher Handwerkskunst gemalt, zeigte den Namenlosen an der Sternenleere, eine Hand frei, in ihr die Sonne. Alle möglichen Götter, von Kor zu Mada zu Peraine, Praios, Levthan und Satuaria knieten vor ihm, den Kopf tief in den Staub gesenkt. Hinter einer verschlossenen Tür hinter dem Bett fand die Gruppe eine kleine Kammer mit einem edlen Bett, Frauenkleidern (ebenfalls im bestickten Stil des Hohepriesters) und mit einer einzigen Literatur, einer gekürzten Version der 13 Thesen. Die Gruppe entschied sich, das der Raum ein guter Ort für ein bald stattfindendes Feuer sei, und begannen, einen Haufen zu bilden, wobei Dray das Bild persönlich auf den Scheiterhaufen warf.
Außerdem fand die Gruppe versteckt in einer Kiste 80 Dukaten. Weiterhin lag auf dem Schreibtisch ein dickes Tagebuch, das teilweise verbrannt war. Nach einer Stunde ließen sich folgende Textfetzen rekonstruieren:
„ … das Tal liegt nicht weit von hier. Man muss den Pfad die Schlucht hinab, und dann durch die Höhle. Dort haben mich meine Träume hingeführt. Es ist perfekt für das, was ich tun muss, und ich bin gespannt, ob es funktioniert. Die Leute hier folgen mir, und wenn ich hier in diesem Nirgendwo gut leben will, brauche ich noch mehr von ihnen …“
„Mein Meister hat mir wieder Nachrichten geschickt. Diesmal kamen sie mit einer Taube an. Ich weiß nicht, woher sie kam, aber die Nachricht wandte sich an mich persönlich. Ich hätte seinen Segen, und würde ich zu Vollmond brüten, würde es sich irgendwann bezahlt machen …“
„ … das Perainekloster beobachtet. Die Nonnen wissen nicht, was sich auf der anderen Seite des Berges verbirgt. Aber sie wissen, was sich darunter verbirgt. Die Zwerge scheinen in Kontakt mit ihnen zu stehen. Es wundert mich – mein Meister hatte mir gesagt, dass sie keinen Kontakt zu Außenstehenden pflegen. Ich hoffe, das es nicht zu Problemen führt.“
„ … vier Jahre, und nur Fehlschläge. Wie schwer kann es sein, eine Kröte dazu zu bringen … Jesine. Ihr Körper … habe sie eingesperrt. Sie wird mir eine Gefährtin sein, so will es unser Herr. Ich habe es gesehen ...“
„ … habe ich Informationen, dass dieser Gansam und die Äbtissin sich getroffen haben. Ich habe etwas von einem ‚flammenden Herzen‘ gehört. Ich schickte eine Taube los, vielleicht wissen die anderen, was es damit auf sich hat …“
„ … brütet nun schon seit Wochen. Ich glaube, es gelingt – endlich. Zehn Jahre sind eine zu lange Zeit, um hier …“
„… das Tier wächst rasant. Ich habe es beobachtet, aus angemessener Entfernung natürlich. Sein Leib ist so wunderschön wie schrecklich, und ich kann sehen, wie die reine Existenz dieses Wesens die Wahrheit der Welt offenbart: Unter der schönen Schicht ist nichts als Rot! Ich fiel auf die Knie und dankte dem Güldenen, das er ...“
„… hat es wieder funktioniert. Unsere Novizin erstarrte beinahe augenblicklich. Es wird Zeit, lange dauert es nicht mehr … Jesines Lächeln ist unbezahlbar …“
„… haben wir es befreit, und nun wuchtet es seinen Leib durch den Finsterkamm. Das Kloster der Peraine ist zuerst betroffen. Die Äbtissin hat die letzten Überlebenden zusammen getrommelt. Gemeinsam wollen sie nach Norden ziehen, über den Bergkamm hinweg. Es wird ihnen nichts nützen. Die Wahrheit wird nun offenbar werden. Wer weiß wie weit es sie tragen wird, bis jemand das Tier erfolgreich aufhält – denn im Gegensatz zu meinem Novizen gebe ich mir nicht die Illusion, dass es unbesiegbar ist. Nein, das wäre vermessen. Aber vielleicht kann die Kreatur bis nach Greifenfurt vordringen, oder sogar ins verdorbene Herz des Reiches selbst, und darüber hinaus, bis jemand mutig genug ist, sich ihr entgegen …“
„WO IST ES HIN? WAS IST PASSIERT? ES SCHEINT VOM ERDBODEN VERSCHLUCKT! HAT ES PHEX GEPACKT UND AUF MADAS GEFÄNGNIS GESCHLEUDERT? WIE KANN …“
„ … die Zwerge eine Falle gestellt. Buchstäblich vom Erdboden verschluckt ... in eine Grube gelockt und in die Minen gestürzt … mit Schutt … meine treue Jesine, ausgebrochen und hinterher …. fast schon beeindruckt, wenn ich nicht so wütend wäre … Wie konnte ich es nicht sehen. Fast ein halbes Jahr, bis ich es heraus fand. Ich bin ein Dummkopf. Wie konnte ich es nicht ahnen, dass die Äbtissin den Zwerg mit falschen Versprechungen den Kopf verdreht hat! Die Wahrheit breitet sich nun unter unseren Füßen auf, versteckt vor den Augen der Welt. Ich hasse sie. Dreizehnmal sollen die Zwerge verflucht sein! Warum mischen sie sich ein, wenn …“
„… verfluche ich Jesine, und dass sie geflohen ist. Vielleicht ein Ruf unseres Herren … aber sie war mein!“
„… die Novizen sind unruhig. Ich muss ihnen heute Abend bei der Andacht die Dinge erklären, ins rechte Licht rücken. Wir brauchen Hilfe, wollen wir das Tier befreien. Einige der Novizen behaupten, seltsame Geräusche unter dem Berg zu hören. Aber das ist Unsinn. Was auch immer die Zwerge machen, sie sind sicher zu sehr mit dem Tier beschäf [hier endet der Eintrag abrupt]“
Das Tagebuch wurde anschließend eingesackt und mitgenommen.
In der Ebene drunter fand die Gruppe das ungepflegte und vom Kampf zertrümmerte ärmliche Schlachgemach der Novizen. Einige Tote lagen hier, darunter ein Zwergenkrieger. Die Gruppe konnte finden:
- Ein Edelstein
- Ein Set Dietriche
- Eine Brechstange
- Die goldene Figur eines gesichtslosen Mannes, mit Ketten umgelegt
- Eine Mäusefalle
- Eine kleine silberne Rattenfigur (von Dray gefunden)
- Ein Lederbeutel mit Würfeln in einer Truhe (von Dray gefunden)
- Ein Zwergenkettenhemd
- Ein Wurmspieß
Isha, deren Goldgier es nicht zuließ, die goldene Statue hier zu lassen, machte es sich folgend während des restlichen Tages zur Aufgabe, das Kleinod in einen Goldklumpen zu prügeln.
Außerdem fand Dray in einer Truhe neben den besagten unscheinbaren Würfeln eine Rolle Pergament.
„Vater Pendoch sagt, wir sollen beichten, jeden Tag am Abend dem gesichtslosen Gott unsere Sünden erzählen. Ich fürchte mich vor seinem Zorn, doch Vater Pendoch hat uns zugesichert, dass unser altes Leben in den Augen des Goldenen keine Bedeutung hat – in seinen Augen begann unser Leben erst, als wir den Eid hier im Kloster sprachen. Ich bin so glücklich, das Vater Pendoch mich gefunden hatte – wer weiß was ich sonst machen würde. Vielleicht weiter Leuten in Gassen auflauern, die Unschuldigen bestehlen während die Schuldigen in ihren Palästen sich den Bauch voll fressen. Die anderen teilen meinen Enthusiasmus, auch ihnen hat diese Welt Schlechtes angetan. Vater Pendoch sagt uns, das es bald zur Gerechtigkeit kommt. Dass das Tier unseres Herren aus seinem Gehege hinaus in die Welt ziehen wird, um dort Unheil über die Verdorbenen, die Korrupten und die Verdammten zu bringen. Und beginnen wird es am Kloster der Peraine, die vermeidliche Lebensspenderin. Sie haben uns nicht entdeckt, unser Orden ist versteckt. Das wird ihr Untergang sein.
Aber ich beichte ihm hier und jetzt: Ich habe Angst. Immer wieder habe ich Angst. Vor dem Tier. Alrike ging hinunter ins verbotene Tal auf Anweisung von Vater Pendoch, und sie kam nicht zurück. Er sagte uns, dass sie zum Güldenen gerufen wurde. Ich glaube Vater Pendoch, aber eine Stimme tief in meinem Kopf schreit mir Lügen ins Ohr und versucht, mich vom rechten Weg abzubringen.
Morgen werde ich ihr folgen. Denn nur in seinem Anblick wird auch die letzte Sünde aus mir heraus brennen, dessen bin ich mir sicher.“